Arbeitszeiterfassung: Was das neue Urteil für Arbeitnehmer bedeutet
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat am 13.09.2022 ein neues Urteil zur Arbeitszeiterfassung erlassen, welches einige Veränderungen für das Arbeitszeitrecht bedeutet. Demnach müssen Unternehmen die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch dokumentieren und die dafür benötigten Zeiterfassungssysteme zur Verfügung stellen. Diese Regelung hat vor allem hitzige Diskussionen in Bezug auf die Vertrauensarbeitszeit und auf das mobile Arbeiten ausgelöst. Das BAG-Grundsatzurteil (1ABR 22/21) könnte somit weitreichende Auswirkungen auf die bisher praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle haben, weil dadurch eine zunehmende Kontrolle benötig wird.
Was bedeutet Arbeitszeiterfassung?
Eine transparente Arbeitszeiterfassung ist in jedem Unternehmen unerlässlich und dient einer nachvollziehbaren Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden. Anhand dieser Erfassung lassen sich Gehaltsabrechnungen erstellen, die Personalplanung optimieren sowie zusätzliche Überstunden nachvollziehen. Bereits im Jahr 1994 wurde das Arbeitszeitgesetz(ArbZG) als einheitliche Regelung für Beschäftigte und Arbeitgeber bundesweit erlassen. Dieses dient dazu, die Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zu regeln, indem Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten gesetzlich festgelegt werden.
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung 2022 nach BAG-Urteil
Mit dem neuesten Urteil besteht in Deutschland ab sofort und für alle Unternehmen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Dieser Beschluss wird mit dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs(EuGH) vom 14. Mai 2019 begründet. Der EuGH hat entschieden, dass die europäischen Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Hiermit soll die Möglichkeit der nachvollziehbaren Messung von täglich geleisteten Arbeitsstunden gewährleistet werden. Auf diesem Weg können die Rechte aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit und den täglichen und wöchentlichen Ruhepausen umgesetzt werden.
Angesichts der neuen Rechtsprechung sind Anpassungen im deutschen Arbeitszeitgesetzt notwendig, da bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden mussten. In welcher Form die neue Rechtsprechung umgesetzt werden soll, bleibt von der Regierung bisher unbeantwortet. Die wichtigsten Fakten zur aktuell geltenden Arbeitszeiterfassung kurz zusammengefasst:
Regelungen zum BAG-Urteil auf einen Blick
- Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau dokumentieren, unabhängig davon, ob es in dem Unternehmen einen Betriebsrat gibt oder nicht.
- Wird seitens des Arbeitgebers nicht auf das Urteil reagiert, können sich Mitarbeitende direkt an den Betriebsrat wenden. Dieser kann die Verpflichtung zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems geltend machen.
- Bisher mussten nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden. Die Erfassung der Arbeitsstunden wird nun auf die gesamte Arbeitszeit
- Die Vertrauensarbeitszeit, mobiles Arbeiten und Homeoffice werden nicht von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen.
- Vom deutschen Gesetzgeber gibt es bisher keine konkreten Regelungen für die Arbeitszeiterfassung. Mit der Rechtsprechung ist der Gesetzgeber mit dem neuen Urteil in Zugzwang geraten und muss schnell reagieren.
- Gesonderte Ausnahmeregelungen zur Arbeitszeiterfassung wird es möglicherweise für leitende Arbeitskräfte geben, die ihre Arbeitszeit selbständig einteilen können und keinen arbeitsrechtlichen Schutz benötigen.
- Bei der Erhebung von Daten für die Arbeitszeiterfassung ist die Einhaltung der Grundsätze zum Datenschutz aus Artikel 5 DSGVO Die Daten dürfen nur für eindeutige und legitime Zwecke erhoben und nicht für andere Zwecke verarbeitet werden.
Anpassung im deutschen Arbeitsrecht
Bisher hat der Gesetzgeber nicht auf das EuGH-Urteil reagiert und eine Anpassung im Arbeitszeitrecht vorgenommen. So ist eine Arbeitszeiterfassung nach § 16 Abs. 2 ArbZG nur notwendig, wenn die geleistete Arbeit über insgesamt acht Stunden an einem Werktag hinausgeht. Zudem hat sich die Bundesregierung gegen eine Verschärfung der Arbeitszeitvorschriften ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass flexible Arbeitszeitmodelle wie etwa die Vertrauensarbeitszeit oder Remote Arbeiten weiterhin möglich sein müssen. Letztendlich gilt zwar mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts eine sofortige Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Wie jedoch mit den flexiblen Arbeitszeitmodellen verfahren werden soll, bleibt abzuwarten.
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